November 28 2021

Christkindlmarkt 2026

Oma, Opa, was ist denn so besonders an dem Christkindlmarkt hier bei Euch?“

Unsere kleine Enkelin schaut uns neugierig an und die vielen Lichter über dem Marienplatz spiegeln sich in ihren hellwachen Äuglein. Unsere Vorfreude auf den gemeinsamen Weihnachtsmarktbummel war riesig und es fühlt sich heute großartig an, durch die liebevoll geschmückten Budengassen zu laufen und all die vielen sinnvollen und sinnlosen, nützlichen und nutzlosen und manchmal einfach nur schönen Dinge in den Auslagen zu betrachten, in die Hand zu nehmen und an- oder auszuprobieren.

Weißt Du, dass es überhaupt einen Christkindlmarkt gibt, ist schon etwas Besonderes!“ versuche ich der kleinen Maus zu erklären, die wir fast im Trubel der vielen fröhlichen Menschen aus den Augen verloren hätten. An einem Stand für Holzspielzeug sehe ich ihre rote Bommelmütze leuchten und fange die kleine Ausreißerin schnell wieder ein. Wir drängeln uns ein bisschen nach vorne, damit auch die Kleine über den Rand der Theke schauen kann.

Damals, im zweiten Coronawinter, du warst gerade mal 1 Jahr alt, gab es hier bei uns keinen Weihnachtsmarkt“ „Aber wieso denn Oma, die gibt es doch immer – jedes Jahr!“ „Weil so viele Menschen so schlimm krank waren und alle Angst hatten sich gegenseitig anzustecken“ antworte ich. Aber die Weihnachtspyramide mit dem bunten Engelchen auf der Spitze ist gerade viel interessanter als Omas melancholische Geschichte.

Während Leni begeistert noch ein Räuchermännchen mit langem weißen Wattebart inspiziert, denke ich an den Advent 2021, als die Budenbetreiber ihre Ware wieder ausräumen und die Schausteller die Karussells abbauen mussten, weil uns das Virus mit solcher Heftigkeit überrollte, dass die Weihnachtsmärkte kurzfristig geschlossen werden mussten.

„Da hinten ist der Nikolaus, kommt schnell“ Leni zerrt an meiner Hand und zieht mich durch das Gedränge zu dem riesigen Weihnachtsbaum vorm Rathaus. Dort steht ein Nikolaus mit einem Schlitten, beladen mit bunten Päckchen einer Lebkuchenfirma, und beschenkt die Kinder. Mir ist es hier zu voll und ich will schnellsten wieder weg. Aber die Begeisterung unserer kleinen Begleiterin ist ansteckend und ich denke mir, wie schön es eigentlich ist, sich ohne Angst vor Ansteckung mitten im Gewimmel aufhalten zu können. Ebenfalls ohne Angst gelingt es Leni tatsächlich bis zu dem gewichtigen Mann im rotweißen Mantel vorzudringen. Die Lebkuchentüte durch die Luft schleudernd springt sie mir anschließend in die Arme und flüstert ganz aufgeregt:

„Oma, ich hab mir vom Nikolaus gewünscht, dass nie mehr Coronawinter ist und immer Christkindlmarkt. Dann komme ich nämlich immer zu euch zu Besuch!“

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November 29 2020

Advent 2025

„Oma, wie haben die Kinder denn damals Weihnachten gefeiert?“

Meine kleine Enkelin schaut mich mit ihren strahlend blauen Augen fragend an:
„Wenn Sie keine Weihnachtslieder singen durften, hat sie das Christkind doch gar nicht gehört!“

Sie ist ganz empört über das, was sie eben während der Übungsstunde der „Chor Kids“ erfahren hat. Sie ist erst seit kurzem dabei und das mit einer unglaublichen Begeisterung. Sie hat eine klare, helle Stimme und singt alle Lieder gleich auswendig mit. Vor allem die Weihnachtslieder haben es ihr angetan und sie würde am liebsten mehr als 1x in der Woche zum Singen gehen. Ich darf sie immer am Gemeindesaal abholen und schleiche mich meistens schon etwas früher hinein um gut versteckt im Flur noch ein wenig zuzuhören.

Heute hat der Chorleiter, ein junger Mann mit schwarzen Locken und Gitarre, erzählt, wie das vor 5 Jahren während der Coronapandemie war: Keine Chorproben, überhaupt kein gemeinsames Singen. Es gab keine Weihnachtskonzerte oder Adventsfeiern, nicht im Theater, nicht in der Kirche und auch nicht in der Schule. Privates gemeinsames Singen war verboten, wegen der hohen Ansteckungsgefahr. Da das Corona-Virus sich über die Atemwege verbreitete, mussten wir alle, große und kleine, Mund-Nasen-Masken tragen, durften nicht verreisen und unsere Verwandten nicht besuchen. Es gab keinen Sport, kein Kino, kein Theater und schon gar keine Weihnachtsmärkte. Keine Trompetenklänge an Heilig Abend, keine Kinderchöre im Advent und kein feierlicher Chorgesang an Weihnachten.

„Tja, kleine Maus, wir waren alle verstummt – die Kinder und auch die Erwachsenen. Es war das Jahr, in dem Du geboren wurdest:  mitten in der 2. Welle der Pandemie. Auch zu Deiner Geburt gab es kein Ständchen – viel zu gefährlich!“
„Statt zu singen, schmückten wir unsere Häuser noch mehr als in den Vorjahren und die Wohnviertel waren wie verzaubert, wenn am Abend überall  die Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet wurde. Die Kinder spazierten mit ihren Eltern durch die Straßen und bestaunten die fantasievollen Lichterfiguren.“

„Aber Oma, wie hat das Christkind denn die Wünsche der Kinder gehört?“
Sie schüttelt verwirrt ihre kastanienbraunen Locken. Die Mütze hat sie natürlich längst schon wieder ausgezogen.

„Herr Thiel sagt, wenn wir singen, öffnen wir unsere Herzen so weit, dass das Christkind jeden unserer noch so geheimen Wünsche hören kann.“

„Auch in 2020 gab es ein Weihnachten.“ Antworte ich ihr. „ Es war nicht so grell und so laut wie sonst. Die Menschen kamen zur Ruhe und beschäftigten sich mehr mit sich selbst und ihren Liebsten. Sie wurden feinfühliger und achteten mehr auf einander.“

Die Erinnerung an dieses bizarre Jahr mit seinen Lockdowns, Kontaktbeschränkungen, Beherbergungsverboten, Maskenpflicht und all den Ängsten und der Trauer unter den Betroffenen, der Einsamkeit unserer alten Menschen und dem Verzicht auf liebgewonnene Traditionen überrollt mich mit einem Mal so heftig, dass mir die Tränen in die Augen treten.

Mein kleiner Engel greift mit den kalten Fingerchen – die Handschuhe hat sie natürlich auch mal wieder vergessen – nach meiner Hand und drückt sie liebevoll.

„Nicht weinen, Oma, Du hast doch mich!“

„Ja, mein Schatz, und das ist das Wichtigste. Und das war es auch damals, während der Pandemie. Die Kinder waren am wenigsten betroffen. Das Virus machte einen Bogen um sie. Und so waren die Erwachsenen gezwungen, nach vorne zu schauen, ihren Kindern eine fröhliche und unbeschwerte Weihnachtszeit zu ermöglichen. Sie beschäftigten sich auf einmal viel mehr mit ihren Kindern, es gab keine Kita, die Schule fiel meistens aus, keine Sport-  Musik-  oder Spielgruppen. Gespielt wurde zuhause, mit Eltern und Geschwistern und man hatte viel Zeit einander zuzuhören.“

„Wie toll, wenn der Papa auch mal mehr Zeit hätte, mit mir Fußball zu spielen oder einen Film zu gucken …“ Sie hüpft den Bordstein auf und ab und trällert „Ihr Kinderlein kommet“.

„Und das Beste war, dass die Eltern Zeit hatten in die Herzen ihrer Kinder zu schauen und so ihre Wünsche fast so gut wie das Christkind erfüllen konnten.“ Ich setze meine Erklärung fort während das kleine Zappelwichtlein mich singend und springend um die nächste Hausecke zieht.

Die Antwort auf ihre anfängliche Frage interessiert sie nicht mehr sonderlich. Sie hat an einer Hauswand eine Weihnachtsdekoration mit Nikolaus auf der Leiter entdeckt und schmettert mit solcher Stimmgewalt, dass der Nikolaus die kleine Sängerin auf keinen Fall wird überhören können: „Lasst uns froho uhund munter sein …“ 

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